Sonderaufgabe
Schießstandsachverständige

Andrea Wedemann

Vorsicht, es wird scharf geschossen!

Interview mit der Schießstandsachverständigen der Oberfinanzdirektion NRW, Andrea Wedemann

 

Frau Wedemann, Ihre Arbeit in der Bauabteilung der Oberfinanzdirektion (OFD) NRW darf man mit Fug und Recht als ausgefallen bezeichnen. Wie kommt man nur an einen solchen Posten?

Das lief wie bei anderen Verfahren auch. Laut eines Zentralerlasses zur Sicherheit von Standortschießanlagen hat die OFD den Schießstandsachverständigen zu stellen. Da meine Vorgänger in den wohlverdienten Ruhestand gegangen waren, musste die Stelle neu ausgeschrieben werden und ich habe mich beworben.

Aber braucht es da nicht eine besondere Vorbildung?

Ich habe ein Bauingenieurstudium an der FH Münster abgeschlossen. Um Schießstandsachverständige zu werden, musste ich im Mai 2016 zusätzlich eine fünfwöchige Sachverständigen-Ausbildung einschließlich Prüfung in Lübeck absolvieren – viel Organisation war das (schmunzelt). Für meinen Sohn hatte ich eine „Nanny“ besorgt, meine Tochter besuchte in dieser Zeit eine Schule in Bonn – dort lebt meine Schwester.

 

Und seitdem sind Sie zuständig für die bauliche Sicherheit an Standortschießanlagen der Bundeswehr und der Bundespolizei in NRW, richtig? Welche Bedeutung haben diese Schießstände für Bundeswehr und Bundespolizei?

Ja. Die Schießanlagen sind von immenser Wichtigkeit, denn dort werden täglich hunderte, durchschlagend echte und potenziell tödliche Projektile real abgefeuert und aufgefangen, um für den Ernstfall zu proben.

Welche baulichen Voraussetzungen müssen dafür gegeben sein?

Die Vorgaben sind wichtig, damit der Ernstfall nicht eintritt. Die Schießanlagen müssen rückprallsicher und durchschusssicher sein, das bedeutet viel Holz und Beton, verbaut nach den Vorgaben.

 

Werden Sie denn von den Kasernen oder der Bundespolizei in NRW eingeladen oder finden regelmäßig Besichtigungen statt?

Sowohl als auch. Die Schießstandkommissionen begehen einmal jährlich die Raum- und Standortschießanlagen in NRW, von Höxter bis Geilenkirchen. Dazu wird eingeladen. Darüber hinaus müssen bauliche Veränderungen und Sanierungen von uns abgenommen werden.

Andrea Wedemann
Andrea Wedemann

Schießstandkommission? Wer gehört denn dazu und woraus genau besteht deren Arbeit?

Die Kommission besteht bei den Bundeswehrliegenschaften neben mir aus je einem Vertreter des Landeskommandos sowie des Kompetenzzentrums des Bundesamtes für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr. Bei einer Begehung sind in der Regel auch der Standortälteste, Vertreter der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, des Bau- und Liegenschaftsbetriebs, des Bundeswehrdienstleistungszentrums und die Geländebetreuung dabei.
Bei der Bundespolizei ist sie wieder etwas anders aufgestellt. Dem Grunde nach aber mit dem gleichen Ziel, nämlich für Sicherheit zur sorgen. Die Überprüfungen ähneln also dem TÜV-Termin für einen PKW. Sie finden zum Wohl aller Beteiligten statt, können teuer enden, sorgen aber für Sicherheit. Wie beim PKW, der manchmal sogar aus dem Verkehr gezogen wird, kann auch dem Betreiber der Anlage schlimmstenfalls die Nutzung untersagt werden.

Andrea Wedemann

Die Schießanlagen können bis zu 300 Meter lang sein. Wir gehen aufmerksam über die Anlage, überprüfen sie stehend, kniend, manchmal sogar liegend und haben dabei immer die von einer verirrten Kugel ausgehende Gefahr im Bewusstsein. Wir überprüfen die Geschossfänge, die Holzverkleidung der Blenden, die Betonwände, die Schutzwälle und den gesamten Pflegezustand der Anlage.
Für die Abnahme von Zieleinrichtungen muss auch mal scharf geschossen werden, das ist jedoch eher selten.

 

Schießen Sie auch selbst?

Während der Ausbildung in Lübeck habe ich es testen dürfen und dabei sogar überraschend gut abgeschnitten (lacht), Andere können das aber wesentlich besser. Es gehört auch nicht zu meinen dienstlichen Aufgaben.

Was waren Ihre interessantesten Fälle bisher?

Auf einer Standortschießanlage hatten es sich an den Blenden Fledermäuse nett eingerichtet. Aufgrund einer Sanierung mussten sie aber weichen. Das Umsiedeln ist nur nicht so einfach. Der Naturschutz verlangt, dass ihnen viele Alternativen vorgeschlagen werden. Unsere Lösung, Reihenhausmassensiedlungen für Fledermäuse wurde ein eigenes, zusätzliches Baukonstrukt.
Ein anderes Mal brütete auf einem Erdwall einer Schießanlage ein Uhu – das löste einen dreimonatigen Baustopp bis zum Ende der Brutzeit und dem Auszug der zwei kleinen Uhus aus.

 

Das klingt, als bereite Ihnen die Arbeit richtig Freude?

Ja! Die Mischung aus der Arbeit am Schreibtisch und den Vor-Ort-Terminen gefällt mir sehr. Ich treffe dabei auf die unterschiedlichsten Menschen.

Andrea Wedemann